02. Habgier
03. Rightful King
04. Zu Dir
05. Komposition
06. Der Advokat
07. Schöne Augen
09. Mondeslicht
10. Coppelia
11. Lilienthal
12. Charlotte the Harlot
13. Das Amulett
14. Viel zu Viel
15. Spring Doch
16. Gedicht
17. Nachwort
Aufnahmen:
Reinhard Lehmann, Deelay D. Smith, Thomas Heimann- Trosien
Produktion & Mix:
Thomas Heimann- Trosien, Deelay D. Smith, Coppelius
Mastering:
Thomas Heimann- Trosien
Label:
F.A.M.E. Recordings
Gehörige Amplifikation
Es herrscht ein heilloses Durcheinander. Irgendwo stürzt der überforderte Butler Bastille durch die Räumlichkeiten des coppelianischen Herrensitzes und versucht zerbrochene Cellobögen, durchgebissene Klarinettenblätter, herausgerissene Kontrabasssaiten und Splitter von Taktstöcken einzusammeln, stolpert dabei über geleerte Absinthflaschen und ein vom Tisch gefegtes Schachbrett. Vom weitläufigen Lustgarten des Sextetts hört man das dumpfe Knallen zweier Pistolen herüberschallen; ein weiteres Duell zwischen Max Coppella und Le Comte Caspar, die sich über die Vorzüge von Septime und großer Terz streiten.
Ein ganz gewöhnlicher Tag im coppelianischen Schaffensprozess, dessen chaotische Energien allesamt auf der zweiten Langspielplatte „Tumult!“ eingefangen und in fünfzehn galante Stücke gegossen wurden. Seit die Gentlemen nach jahrelangem Schweigen (denn eigentlich wurde die Formatio bereits 1791 gegründet) im Jahre 2002 bei einem Abschiedskonzert der Inchtabokatables für Aufsehen sorgten, hat sich an ihrem für heutige Maßstäbe ungewöhnlichen Instrumentarium und dem tugendhaften Auftreten in Gehröcken und mit wohlerzogenem Butler auf der Bühne nichts geändert. Noch immer stehen neben einem Schlagzeug ein Kontrabass, ein Cello und zwei Klarinetten, von den dreifach stimmlichen Wohlergüssen einmal abgesehen. Doch was hier im ersten Augenblick, besinnliche Kammermusik vermuten lässt, entpuppt sich, wie die bereits erwähnte kreative Arbeitsweise andeutet, als zackiger, ungestümer Rock, bei dem so manchem Konzertbesucher bereits das Knuspergebäck aus der Hand oder der Tee ins Gesicht geblasen wurde. Von jungen, langhaarigen Menschen wird sogar behauptet, man könne die coppelianische Klangeskunst als Kammermusik-Metal bezeichnen. Wenn diese Verortung zwar wissenschaftlich noch nicht belegt ist und Max Coppella und Le Comte Caspar natürlich auch schon das ein oder andere Duell darüber ausgefochten haben, so muss man dennoch konstatieren, dass eine gewisse Nähe zum Metal vorhanden ist. So ist mit „Charlotte The Harlot“ erneut ein Song aus dem Fundus von Iron Maiden auf der neuesten Scheibe vertreten. Wobei die Coppelianer nach eigener Aussage lediglich das Original neu servieren, das sie bereits zur Zeit der Uraufführung von Mozarts „Zauberflöte“ in Grundzügen ersonnen hatten. Die dreisten Briten hätten sich das Stücklein klammheimlich einverleibt, in der Hoffnung, man habe die ursprünglichen Urheber längst vergessen. Ähnlich verhält es sich mit „Rightful King“, das zuvor von den schon angeführten Inchtabokatables intoniert wurde und das hier ebenfalls in seiner ursprünglichen Fassung erscheint – übrigens eingesungen von einem nicht unbekannten Chanteur von Subway To Sally, weitläufig bekannt als Eric Fish. Max Coppella kommentiert diese Mitwirkung mit abgespreiztem Zeigfinger und erhobener Braue: „Ich war dagegen, dieses Stück aufzunehmen, da ich es nicht komponiert habe. Also mussten sich die anderen Herrschaften jemanden suchen, der es singen konnte.“
Worin sich die sechs Ehrenmänner jedoch ausnahmsweise einmal einig sind, ist der ausgiebige Einsatz der galvanischen Amplifikation, um die Tonwerkzeuge auf gehörige Amplituden zu treiben. Le Comte Caspar gibt einen triftigen Grund dafür an: „Jedermann folgt der neuesten Mode und gibt Konzerte ohne galvanische Amplifikation, ich glaube sie nennen das ‚unplugged‘. Wir möchten uns dem entgegenstellen und frönen ausuferndst der Amplifikation von Kontrabass, Cello und Klarinetten!“
Weniger einheitlich ist hingegen die Geschichte des Plattentitels, wie Graf Lindorf entrüstet zu Protokoll gibt: „Sie müssen wissen, dass das Werk eigentlich erst ‚Vier Saiten für ein Halleluja‘ und später dann ‚Die Kontraklarinette‘ heißen sollte. Bastille hatte bereits jedesmal schon ein wunderschönes Plakat und eine respektable CD-Hülle gemalt. Wäre da nicht die Sache mit dem entwendeten Zylinder dazwischen gekommen! Diese Respektlosigkeit! Tumult wird es geben!“ Denn in der Tat hat ein ruchloses Individuum aus dem Auditorium bei einer der Darbietungen der Formation dem werten Grafen den Zylinder gemopst. Da eine Herausforderung zum Duell oder sofortiger Tod durch Erhängen aufgrund der Flüchtigkeit des Diebes außer Frage standen, blieb als einzige logische Konsequenz: „Tumult!“!
So lässt sich auch die ehrgeizige und tüchtige coppelianische Arbeitsweise an diesem Zweitling erklären, die geladene musikalische Kraft, die in den einzelnen Stücken ruht und die sich bereits bei den ersten vernommenen Tönen entlädt. Man könnte geneigt sein, die Werke von Coppelius als brachiale Urgewalt im eleganten Gehrock zu bezeichnen oder als anspruchsvolle Tonästhetik mit mächtigem Arschtritt-Faktor. Das liegt im Ohre des Erlauschers.
Doch genug der Worte: Vorhang auf für die einzigartigen und unerreichten Meister kammermusikalischer Wucht, die in drei Jahrhunderten oft kopiert aber niemals erreicht wurden. Ton ab, „Tumult!“ an, denn Coppelius hilft!
(Peter Sailer)